Es ist ein Kunstfehler, Angehörige nicht einzubeziehen!
Ich werde Dr. Rosen von der LVR-Klinik in Bonn ewig dankbar sein für diese Aussage, die er mit Nachdruck von sich gab am 5.4.2014 bei den Frühjahrspsychiatrietagen an der LVR-Klinik. Nach Heribert Pauels, Diakon, Büttenredner und Depressionserfahrener, durfte ich auch etwas zu der Situation von Angehörigen berichten. Es war eine wirklich interessante Veranstaltung. Heribert Pauels zeigte zunächst die rote Nase – „Damit sie mich wieder erkennen!“ – und begann dann mit einem bewegenden Vortrag über seine Erfahrung mit der Depression. Er verbrämte seine Erkrankung nicht mit dem Modewort „Burnout“, obwohl seine vielen Aktivitäten – 230 Auftritte in einer Karnevalssaison! – eine Burnout durchaus wahrscheinlich machen könnten. Er beschrieb, wie es ihm ging, dass er sich professionelle Hilfe suchte und fand und dann auch auf seinen Therapeuten hörte, der ihm riet, sich auf das zu konzentrieren, was ihm am Herzen lag. Und das war in seinem Fall sein Amt als Diakon. Ab und zu macht er allerdings auch noch mal ein bisschen Kabarett, wie er mir in der Pause anvertraute. Er kann es nicht lassen und darüber freuen wir uns.
Es ist ein Kunstfehler, Angehörige nicht einzubeziehen!
Besonders gefreut hat mich, dass er offen mit seiner Erkrankung umgeht. Leider tun das immer noch viel zu wenige Betroffene und auch und vor allem Angehörige. Er tut damit viel gegen die Stigmatisierung und dafür, dass sie auch andere Betroffene nicht schämen, Hilfe der Psychiatrie anzunehmen. Ich selbst habe nicht nur von meinen Erfahrungen berichtet, sondern auch darüber geredet, dass wir Angehörigen mehr in die Öffentlichkeit gehen sollten. „Weshalb sollte man sich wegen Schizophrenie schämen?“ habe ich mich immer gefragt, wenn Leute meinen Mut bewundern, dass ich in die Öffentlichkeit gehe. Warum eigentlich nicht? Was soll denn passieren? Manche Angehörige sagen, dass ihre Kinder das nicht wollen. Nun, ich habe 17 Jahre meines Lebens geschildert in meinem Buch, das kann mir niemand verbieten. Und meine Tochter sieht das genauso. Wieder andere behaupten, dass sie mit mehr Öffentlichkeit ihren Kindern die Berufschancen verbauen könnten. Wie bitte? Niemand spricht davon, dass jemand mit einem großen Schild „Ich hatte eine Psychose!“ durch die Welt gehen sollte. Und wer sich gerade auf eine Führungsposition bei der Deutschen Bank bewirbt, sollte vielleicht tatsächlich vorsichtig sein. Aber wie viele unserer Kindern bewerben sich denn auf Führungspositionen? Und: Ich habe viele Menschen kennengelernt, die bereits in Führungspositionen waren und dann eine Psychose bekamen. Sie gingen ins Krankenhaus und kamen wieder zurück auf ihre Position. Professoren, Ärzte, Buchhalter, Bankkauffrauen, Fliesenleger, Briefträger und Art Directors. Ich bin fest davon überzeugt, das unsere Kinder gewinnen, wenn sie offen mit ihrer Krankheit umgehen: für sich persönlich, weil die Last des Versteckenmüssens von ihnen abfällt und für uns alle, weil sie damit zeigen, wie Menschen sind, die eine Depression, eine Psychose oder eine Manie hatten: Nette Menschen wie Du und Ich, die eben leider krisenanfälliger sind als andere.
Es ist ein Kunstfehler, Angehörige nicht einzubeziehen!
Von den Chefärzten kamen interessante Beiträge: Dr. Schormann berichtete über die Behandlung von Depressionen im Alter, Dr. Dickkopf-Kaschenbach über das Soteria-Konzept an der Klinik, Professor Hornung über Zwangserkrankungen und Dr. Rosen zeigte einen Film, in dem die Klinikmitarbeiter/innen, aber vor allem auch Betroffene zu Wort kamen. Und wenn das auch in der Praxis so stimmt, wie es der Film zeigte, dann kann man die Klinik nur jedem Betroffenen empfehlen. Kompetent, aber leider nicht so erfreulich war der Bericht des Klinikdirektors Prof. Dr. Banger, der auf die zunehmende Ökonomisierung und damit Verknappung von zeitlichen und finanziellen Ressourcen hinwies, die eine Verschlechterung der psychiatrischen Versorgung annehmen lässt.
Es ist ein Kunstfehler, Angehörige nicht einzubeziehen!
Die Zuhörer/innen wurden einbezogen und konnten lebhaft mit allen Referent/innen diskutieren. Ich habe viel gelernt über Krankheitsbilder, die mir wenig vertraut sind, wurde freundlich empfangen und gut behandelt – das sollte doch ein Vorbild für alle Kliniken sein! Ich danke der Klinik für diese Einladung und noch einmal ganz besonders Dr. Rosen für seine programmatische Aussage!