Janine Berg-Peer/ November 5, 2015/ Alle Artikel, Angehörige, Termine/ 0Kommentare

Mein Schreibtischwächter

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Recovery für Angehörige – Tagung in München

Am 24.10.2015 hatte der Landesverband der Angehörigen Bayern eine Tagung zum Thema „Recovery für Angehörige“ ausgerichtet. Die über 200 Teilnehmer/innen zeigten, wie wichtig das Thema für uns Angehörige ist. Der bayerische Landesverband hatte ein wirklich interessantes Programm zum Thema zusammengestellt: Recovery aus Theorie und Praxis, es Angebote und eigene Erfahrungen wurden dargestellt.

Die Psychologin Sibylle Glauser von den universitären Psychiatrischen Diensten –  UPD in Bern stellte das Konzept Recovery vor und berichtete, wie sie dort Seminare un Beratung zu diesem Thema anbieten. Man glaubt ihr, mit welchem Engagement und Mitgefühl für Betroffene und Angehörige sie ihre Arbeit durchführt. Sie hat mir netterweise ihre Präsentation zur Verfügung gestellt, die Sie hier ansehen können:

glauser-Recovery_München

Der Sozialpädagoge Gottfried Wörishofer ist selbst Betroffener und leitet den Verband der Münchner Psychiatrie-Erfahrenen MÜPE e.V. Sein Vortrag war klug, anrührend, reflektiert und gleichzeitig an manchen Stellen auch humorvoll. Das ist eine seltene und angenehme  Mischung! Er berichtete von seinem persönlichen Recovery-Weg, welchen Anteil die Haltung der Ärzte, seine Eltern und auch seiner Frau daran hatten und natürlich auch, wie seine Haltung dazu sich veränderte. Ein ermutigender Beitrag. Herr Wörishofer hat mir seinen Beitrag auch zur Verfügung gestellt:

wörishöfer-Zwischen Recovery und Resignation – eine Ermutigung aus Patientensicht_LApK_Interessenten

Prof. Bäuml hielt einen launigen und engagierten Vortrag, in dem er seine Vorstellungen deutlich machte, was Psychiater tun können, um Recovery für Betroffene zu erreichen. Was ich an Herrn Bäuml immer so erfreulich finde, ist sein ausgesprochener Vorsatz, keinen Betroffenen „durch den Rost“ fallen zu lassen mit dem Etikett „Der will halt nicht“ oder „der ist austherapiert“. Er machte anschaulich, wie er um jeden seiner Patienten kämpft – auch manchmal gegen dessen Willen, wie er nachvollziehbar einer Betroffenen aus dem Publikum erklärte, die ihn bat, sich ebenfalls gegen Fixierung auszusprechen. „Was denn besser sei?“, fragte er. „Soll ich einen hochgradig psychotischen Menschen einfach ziehen lassen – wie es manche andere Psychiater durchaus tun – wenn ich sehe, dass er in einem Zustand ist, der ihn direkt in die Obdachlosigkeit oder in andere Gefahren führen kann?“ Natürlich sei eine Fixierung immer das allerletzte Mittel, müsse sachgerecht durchgeführt werden und bei ihm säße immer jemand bei dem Betroffenen und würde auch dessen Hand halten – falls der Patient das zuließe. Es ist geschafft, jetzt habe ich auch den Vortrag von Prof. Bäuml:

baeuml-recovery

Meine Aufgabe war es, einen Vortrag zum Thema „Aufopfern ist keine Lösung – Recovery für Angehörige“ zu halten. In Kurzform habe ich einige Thesen aus meinem neuen Buch „Aufopfern ist keine Lösung – Mut zu mehr Gelassenheit für Angehörige psychisch erkrankter Kinder und Erwachsener“ vorgestellt. Wenn es uns besser gehen soll, dann müssen wir unsere Einstellungen zur Krankheit und zu unseren Keiner verändern. Wir dürfen uns nicht von Angst und Schuldgefühlen vor uns her treiben lassen und unsere Kinder retten oder kontrollieren wollen. Ebenso wie die Betroffenen selbst sollten wir uns mit unserer Situation auseinandersetzen, einschätzen lernen, was wir leisten können und was nicht. Lernen, was uns schadet und was uns eher nützt. Nur wenn es uns auch gut geht, dann können wir auch eine wirklich Stütze für unsere Kinder sein.

„Aufopfern“ oder „Kontrollieren“ verhindert, dass unsere Kinder lernen können, sich weiter zu entwickeln. Sie müssen ihre Erfahrungen machen, auch die schlechten, und sich dann dafür entscheiden, wie sie mit ihrer Situation umgehen. Und dabei können wir sie unterstützen: Bei ihren selbst gesetzten Zielen – ganz egal wie groß oder klein diese sind. Aber es sind ihre Ziele, nicht das, was wir uns für sie wünschen. Hier können Sie meinen Beitrag lesen:

berg-peer-24.10.15-Aufopfern ist keine Lösung – Recovery für Angehörige.docx

Ein Dank an die gute Referentenauswahl (!) und die fabelhafte Organisation und gute Moderation an Frau Straub, Herrn Möhrmann und Alexandra Chuonyo!

Mein neues Buch ist am 2.11.2015 im Kösel-Verlag erschienen. Ich freu mich auf Kommentare, Widerspruch oder auch Ergänzungen. Bis demnächst,

Bis bald, Janine Berg-Peer

 

P.S. Im Moment funktioniert die Kommentarfunktion nicht! Wir arbeiten daran.

Kommentare auch gerne an jbpeer@icloud.com

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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