Janine Berg-Peer/ November 1, 2013/ Alle Artikel, Angehörige/ 0Kommentare

rucola-160-120Angehörige als Expertinnen aus Erfahrung

Schon nach der Veröffentlichung meines Buchs „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ bekam ich unendlich viele Zuschriften per Mail, per Brief oder als Kommentare auf meinen Blogs. Gefreut habe ich mich über die positive Bewertung meines Buchs und dafür danke ich auch allen, die sich bei mir gemeldet haben. Aber es hat mich sehr bestürzt und traurig gemacht, wie viel Leid und Kummer aus fast allen diesen Zuschriften sprach. Ich habe es nicht glauben können! Oft wird mir heute von Ärzt/innen und auch Menschen gesagt, die nichts mit psychischen Erkrankungen zu tun haben, dass meine Erfahrungen nun schon 16 Jahre zurück lägen und es heute doch ganz anders sei. Man habe doch viele Fortschritte gemacht, es gäbe viele Angehörigengruppen, auch an Kliniken, und auch die Psychiater und Therapeuten seien heute Angehörigen gegenüber zugänglicher. Vielleicht hat sich Vieles geändert oder sogar verbessert, aber die Mails und Briefe erzählen etwas anderes.

Angehörige als Expertinnen aus Erfahrungartischocke-160-120

Leider kann ich nicht allen sofort antworten oder sie gar anrufen, aber ich werde versuchen, langsam auf alle Zuschriften zu reagieren. Ich muss aber hier auch darauf hinweisen, dass ich keine Expertin für alle Fragen der Psychiatrie bin und daher auch nicht immer sinnvolle Antworten geben kann auf mache der Hilferufe. Da ist es sicher sinnvoll, sich an den Bundesverband der Angehörigen www.bapk.de oder die jeweiligen Landesverbände zu wenden, die auf der Webseite des BApK zu finden sind. Auch für aktuelle Notlagen kann man sich an das SeeleFon wenden, www.seelefon.de.

Aber mir lassen die Zuschriften keine Ruhe. Daher habe ich mich dazu entschlossen, ein neues Buch zu schreiben, in dem ich über die Sorgen und den Kummer vieler Angehöriger schreibe. Ich denke, dass es viel breiter bekannt werden muss, wie sehr auch Angehörige von diesen Krankheiten betroffen  sind und wie wenig Hilfe wir bekommen. Aber ich möchte nicht nur über das Leid berichten, sondern ich möchte auch von Angehörigen erfahren, wie sie mit der Krankheit umzugehen gelernt haben. Welche Strategien sie anwenden, wenn es wieder zu Krisen kommt und, ganz wichtig, was ihnen die Kraft gibt, immer weiter für die erkrankten Angehörigen da zu sein. Ich bin der Meinung, dass auch wir „Expert/innen aus Erfahrung“ sind, was ja meistens nur den Betroffenen zugesprochen wird. Aber wer weiß besser als wir, wie man mit einer wütenden Tochter umgeht, wenn mal wieder ein Eklat im Restaurant bevorsteht oder wie man dem Sohn telefonisch die Angst nimmt, wenn man nicht bei ihm sein kann.

05_AngehoerigeAngehörige als Expertinnen aus Erfahrung

Ich würde mich also freuen, wenn Einige von Ihnen, die diesen Blog lesen, bereit wären, sich von mir telefonisch interviewen zu lassen oder auch selbst etwas zu den Fragen zu schreiben. Wer Lust und Zeit dazu hat, kann mir einfach eine mail schicken an info@janinebergpeer.de. Natürlich werden die Interviews anonymisiert, da müssen Sie keine Sorge haben. Ich werde mich nicht so schnell bei allen melden können, nehme mir nur einige pro Tag vor, da ich dann das Erzählte auch wieder aufschreiben muss. Wenn Sie also nicht umgehend eine Mail von mir bekommen, dann wundern Sie sich nicht, ich schreibe auf jeden Fall allen zurück.

Ich bedanke mich jetzt schon für Ihre Bereitschaft, etwas von ihren persönlichen Erfahrungen zu erzählen.

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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