Janine Berg-Peer/ März 31, 2016/ Alle Artikel, Angehörige/ 0Kommentare

osterglocken-900Aufopfern ist keine Lösung – Rezensionen

Es freut eine Autorin natürlich, wenn das Buch gelesen wird und vor allem, wenn positive, durchaus auch kritische Rezensionen geschrieben werden. In jedem Fall hat sich jemand die Mühe gemacht, das Buch zu lesen. ich möchte Sie an diesen Rezensionen teilhaben lassen – einen eigenen Eindruck müssen oder können Sie sich selbst verschaffen, jeder wird das Buch anders lesen. Aber ich danke den Rezensent/innen ausdrücklich, dass sie sich die Mühe gemacht haben, mein Buch zu lesen und ihre Meinung darzustellen.

Rezension Christoph Müller in der Zeitschrift „Forensik“, 9.11.2015

„In die Gedankenwelt und die emotionale Welt von Angehörigen eintauchen“

Janine Berg-Peer stärkt mit Buch „Aufopfern ist keine Lösung“ Angehörigen den Rücken.

Es ist Janine Berg-Peer mehr als vertraut, worüber sie schreibt. Denn das Buch „Aufopfern ist keine Lösung“ schreibt sie aus einer persönlichen Betroffenheit heraus. Sie ist selber Mutter einer psychisch kranken Tochter, weiß um das Ringen mit den Emotionen. So verwundert es nicht, dass sie sich viele Gedanken darum gemacht hat, wie ein Sich-ständig-Sorgen-machen bis hin zur Überforderung vermieden werden kann. Dies macht sie auf eine optimistische Weise: „Mir geht es darum, die positiven Erfahrungen weiterzugeben, die es mir ermöglicht haben, gelassener zu werden. Ich habe auch keine Rezepte für richtiges Verhalten, vielmehr möchte ich Denkanstöße anbieten und Eltern zeigen, dass sie nicht dazu verurteilt sind, ein Leben lang zu leiden.“ (S.16)

So macht es vor allem Freude, die Ermunterungen zur Gelassenheit zu lesen, die Janine Berg-Peer beschreibt. Die Realität zu akzeptieren, ist in ihren Augen das Beste, was Angehörige leisten können. Mit dem Schicksal zu hadern scheint keinen Sinn zu machen. Sie setzt den Begriff der Versöhnung demgegenüber. „Es wäre schon viel gewonnen, wenn es uns gelänge, uns zu versöhnen: mit dem Schicksal, mit der Krankheit, mit Ärzten oder Sozialarbeitern, von denen wir uns missachtet gefühlt haben, selbst mit unserem Kind, das keinen Kontakt mehr zu uns will. Enttäuschung und Bitterkeit können uns ungerecht machen.“ (S.109)

Janine Berg-Peer ist keine Frau, die sich mit dem Jammern an der Klagemauer aufhält. Nein, sie will in einer guten Weise, dass die Energien eines Menschen erhalten bleiben. Sie will pragmatische und lösungsorientierte Umgangsweisen mit anstehenden Problemen. Das Buch „Aufopfern ist keine Lösung“ ist ein Beweis für diese innere Grundhaltung. Es ist deshalb zu hoffen, dass Menschen, die in demselben Dilemma stecken, das auch Janine Berg-Peer erlebt hat, den mutmachenden Charakter des Buchs ernstnehmen oder besser noch zur eigenen Sache machen.

Natürlich macht Berg-Peer auch auf die alltäglichen Stolpersteine aufmerksam. „Mir haben Eltern gesagt, dass sie ihrem Kind alles abnehmen und Kontrolle ausüben müssen, weil ihr Kind es nicht kann. Dieses Verhalten ist auch bei Menschen zu beobachten, die in einer Partnerschaft mit einem alkoholkranken Menschen leben. Oft wird von Co-Abhängigkeit gesprochen“, schreibt sie. Es wird viele Erwiderer geben, die das Konzept der Co-Abhängigkeit als nicht mehr zeitgemäß bezeichnen werden. Darum geht es nicht. Viel wichtiger ist das Nachdenken über die Verstrickungen der Menschen, im speziellen Fall der Eltern in das Leben der Kinder.

Insofern stellt Berg-Peer die Frage nach der Autonomie der einzelnen Menschen. Für sie ist auch der psychisch kranke Mensch, wie sollte es auch anders sein, eine autonome Persönlichkeit. In familiären Strukturen fällt es natürlich schwer, dies zu jeder Zeit und zu jeder Situation zu akzeptieren. Sie wünscht sich Aufrichtigkeit und insbesondere den Mut, Grenzen zu ziehen. Sie wünscht sich im Miteinander mit psychisch erkrankten Kindern ein Normalitätsprinzip. Ob ein Kind gesund oder krank ist, es verdient ein ganz alltägliches Umgehen mit ihm.

 Das Buch „Aufopfern ist keine Lösung“ ist ein ermutigendes Buch. Es fordert mit seinen Sichtweisen Eltern psychisch kranker Kinder einiges ab. Für psychiatrisch Pflegende, aber natürlich auch andere professionell Tätige ist es eine hervorragende Gelegenheit, in die Gedankenwelt und die emotionale Welt von Angehörigen einzutauchen.

 

Aufopfern ist keine Lösung – Rezensionen

Rezension Alexandra Chuonyo für die Mitgliederzeitschrift des Landesverbands Bayern „Unbeirrbar“, Dezember 2015, gekürzt

Die Autorin des Buches, Janine Berg-Peer ist vielen keine Unbekannte, hat sie sich doch in Angehörigenkreisen einen Namen gemacht durch ihr erstes Buch „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“. Mit ihrem im November 2015 erschienen neuen Buch macht sie Eltern psychisch erkrankter Kinder (auch erwachsener Kinder) durch ihre empathische, herzliche und humorvolle Art Mut zu mehr Gelassenheit. Und dies vermag sie vor allem dadurch, dass sie ganz offen über ihre eigenen Erfahrungen spricht, darüber, dass auch sie einen langen Weg zurücklegen musste. „Sie machen ja den Eindruck einer sehr gelassenen Angehörigen‘ sagt die junge Journalistin. ‚Wie lange haben Sie gebraucht, bis Sie Ihre Gelassenheit entwickelt haben?’ ,Nur sechzehn Jahre’, antworte ich. Wir müssen beide lachen.“ Das sind die ersten Sätze des Buches – ehrlich, aber wahr!

In der ausführlichen Einleitung über die Beweggründe für das Schreiben des Buches werden sich viele Leser gleich verstanden fühlen und wiederfinden. Haben sie doch alle die gleiche Erfahrung gemacht, dass es viel Literatur über psychische Erkrankungen gibt, dass es viele Tipps gibt, wie man mit psychisch kranken Menschen umzugehen habe, damit das diesen gut tut, aber dass es kaum Tipps gibt, was man als Angehöriger tun kann, damit es einem selbst gut tut.

Berg-Peer füllt mit ihrem Buch nun diese Lücke. Jedes Kapitel enthält einige Seiten mit der Überschrift „Was tun?“. Dabei werden ganz konkrete Tipps gegeben, was Angehörige tun können, wenn sie gefährdet sind, sich von ihren Gefühlen überrollen zu lassen, dadurch handlungsunfähig zu werden, sich zu überfordern und sich selbst aufzugeben.

Es scheinen alle Themen aufgegriffen zu sein, welche für Eltern von psychisch erkrankten Menschen das Leben so schwer werden lassen: die Diagnose, Schuld­gefühle, Sorgen, Ängste, Stigmatisierung, Krisen. Mir ist kein anderes Buch bekannt, welches in dieser Ausführlichkeit und Vollständigkeit all dies analysiert.

Damit ist Berg-Peer ein Meisterwerk gelungen, das allen Eltern bereits zu Erkrankungsbeginn in die Hand gedrückt werden sollte, damit sie sich frühzeitig stark machen können in ihrer neuen Rolle, denn: „Wenn es ihnen jedoch gelingt, eine andere Einstellung zur Krankheit zu gewinnen, können sie frühzeitig Weichen stellen, um Aufopferung, permanentes In-Sorge-Sein und eigene Erkrankung zu vermeiden. So können sie für sich Lebensqualität und Lebensfreude zurückgewinnen und gleichzeitig ihre Kinder ermutigen, trotz Krankheit ein weitgehend selbstbestimmtes, gutes Leben zu führen.“ Das Buch ist jedoch auch als ständiger Wegbegleiter für alle betroffenen Eltern zu empfehlen nach dem Motto: Es ist nie zu spät!

 

Aufopfern ist keine Lösung – Rezensionen

Dr. Hans-Joachim Meyer, Vorstand Landesverband Hamburg

Rezension: Janine Berg-Peer: Aufopfern ist keine Lösung

Der Titel des Buches ist zugleich seine Kernaussage. Die Autorin schreibt aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung in Begleitung ihrer psychisch erkrankten Tochter. Die Autorin wendet sich an Eltern erwachsener psychisch kranker Kinder.

Jedes Erkrankungsschicksal ist einzigartig, jede Angehörigenerfahrung genauso. Dennoch gibt es Dinge, die sich immer wieder, bei vielen Angehörigen, in ähnlicher Form abspielen. Der Ausbruch der psychischen Erkrankung eines Kindes, oft im späten Jugend- oder Jungerwachsenenalter, stellt die Familie vor bislang unbekannte Herausforderungen. „Wenn nichts mehr ist, wie es war“- so nannte Heinz Deger-Erlenmaier vor über 20 Jahren sein bekanntes Buch.

Wie finde ich mich in dieser Situation, die ich nicht gewollt habe, die ich mir früher nie vorstellen konnte, zurecht? Wie gehe ich mit meinen eigenen Gefühlen um, mache ich mir Schuldvorwürfe, habe ich etwas falsch gemacht, wie kann ich für mein erkranktes Kind sorgen? Kann ich den professionellen Helfern, seien es Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal, gesetzliche Betreuer, Sozialarbeiter vertrauen? Tun sie das Beste für mein Kind? Muss ich mich nicht selbst um alles kümmern, muss ich alles kontrollieren? Die Erfahrungen vieler Eltern mit dem psychiatrischen Versorgungssystem sind nicht gut, die Eltern selbst fühlen sich oft ausgegrenzt, sie fühlen, dass ihre Hilfsbereitschaft und ihr Einsatz missachtet werden. Probleme und Fragestellungen gibt es reichlich.

Eltern sehen es u.U. als ihre Pflicht an, ihr Leben zukünftig allein in den Dienst des erkrankten Kindes zu stellen. Sie stellen ihre eigenen Bedürfnisse zurück, aber auch die Bedürfnisse der übrigen Familie, des Ehepartners, auch die Bedürfnisse der Geschwister des erkrankten Kindes. Im schlimmsten Fall entwickelt sich folgendes Szenario: Die Familie zerbricht, die Ehe geht auseinander, die gesunden Geschwister trennen sich von der Familie, die Mutter, die ja oft die Hauptsorge auf sich nimmt, ist der Dauerbelastung nicht gewachsen, sie erkrankt selbst an Depression oder Burn out, das erkrankte Kind wiederum bleibt eng und in Abhängigkeit an die Eltern gebunden, es findet keinen Weg zur Lebensgestaltung ohne ständige elterliche Begleitung. Sind die Eltern dann gestorben, ist das große Drama da, nichts ist geregelt, das Kind ist völlig unselbständig und unfähig, irgendetwas zu regeln. Der Verstand sagt allen Eltern, dass das nicht der richtige Weg sein kann. Vielen Eltern fällt es aber schwer, diesen Weg nicht fortzusetzen.

Die Autorin beschreibt, wie sie einen Weg aus der anfänglichen Verwirrung und dem Gefühl, sich um alles kümmern zu müssen, gefunden hat. Sie beschreibt, wie ihr das geholfen hat, selbst Kraft und Freude am Leben zu erhalten, Kraft und Freude, die auch der erkrankten Tochter zu Gute kommen. Sie beschreibt, wie es auch der Tochter geholfen hat, nicht unter ständiger Kontrolle der Mutter zu stehen. Die Autorin stellt dar, dass eine Veränderung der Einstellung zu der Krankheit des Kindes und der eigenen Verhaltensweisen viel dazu beitragen kann, dass die Belastungen für Eltern sich deutlich verringern.

Sie rät Eltern, zunächst die Realität zu akzeptieren, und nicht immer wieder zwischen Hoffnung auf eine Heilung und Enttäuschung über Rückfälle oder nicht realisierte Lebensträume zu schwanken. Sie rät ebenso dazu, belastende Gedanken und Gefühle zu verändern – wobei sie die kognitive Verhaltenstherapie für eine hilfreiche Unterstützung hält.

Auch das loslassen von übertriebenen Ängsten kann die Belastungen der Eltern verringern. Keinesfalls ist damit gemeint, das eigene Kind fallen zu lassen. Im Gegenteil: Hilfe ist dann sinnvoll, wenn sie dem Kind wirklich hilft ohne es zu entmündigen und gleichzeitig auch die Eltern nicht an die Grenze der eigenen Belastbarkeit bringt. Die Autorin rät weiter dazu, Grenzen zu setzen: zum einen ermöglichen Grenzen den betroffenen Kindern etwas über ihre Wirkung auf andere Menschen zu lernen: nur so können sie sich weiterentwickeln. Zum anderen helfen vernünftige Grenzen auch den Eltern dabei, nicht über ihre eigenen Grenzen zu gehen und an ihre Belastungsgrenzen zu gelangen.

Ganz wichtig ist der Autorin der Hinweis, dass Eltern keine Angst vor Krisen haben sollten: Diese Angst verhindert keine Krise, hilft aber dem Kind nicht zu lernen, mit den eigenen Krisen umzugehen. Im Gegenteil, Kinder brauchen starke Eltern, die sie dabei unterstützen, auch künftige Krisen zu bewältigen. Nur starke Eltern können eine Stütze für ihre Kinder sein. Das bedeutet, dass sie nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Kinder auf ihre eigenen physische und psychische Gesundheit achten sollten. Selbstfürsorge ist kein Egoismus.

Sich aufopfern ist die schlechteste aller Lösungen, sie hat auch aus biologischen Gründen keine Zukunft, sie ist weder Kind noch Eltern eine dauerhafte Hilfe. Eine der wichtigsten Aufgaben für Eltern, wenn nicht die wichtigste überhaupt: Versuchen, dafür zu sorgen, dass ihr erkranktes Kind ein möglichst selbständiges Leben führen kann, nur so viel äußere Hilfe von Eltern oder professionellen Helfern wie unvermeidbar.

Nicht jeder Angehörige wird sich in jeder Zeile des Buches wiederfinden, das ist natürlich, weil jedes menschliche Schicksal und jede Krankheitsgeschichte anders verläuft. Dennoch möchte ich dies Buch allen Eltern wärmstens empfehlen, zum Lernen aus den jahrzehntelangen Erfahrungen einer Mutter, zur Reflexion des eigenen Handelns, zur Anregung, für sich, das erkrankte Kind und die ganze Familie trotz aller Widrigkeiten, trotz aller Einschränkungen zu einem Leben zu finden, in dem es Freude und Entspannung gibt.

Die letzten Zeilen des Buches lauten: Unser Leben ist anders verlaufen, als wir uns das vorgestellt haben. Aber es ist ein schönes Leben.

Janine Berg – Peer: Aufopfern ist keine Lösung – Mut zu mehr Gelassenheit für Eltern psychisch erkrankter Kinder und Erwachsener, Kösel-Verlag, München 2015, ISBN 978-3-466-34617-2, 203 Seiten, 16.99 Euro.

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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