Janine Berg-Peer/ April 17, 2018/ Alle Artikel, Angehörige, Empfehlungen/ 0Kommentare

Buchempfehlungen für Angehörige psychisch Kranker

Nicht immer nur meine eigenen Bücher, oder auch nicht immer nur meine eigenen Gedanken. Auch andere Menschen schreiben wichtige und gute Bücher. Heute möchte ich drei Bücher empfehlen, von denen ich eines gelesen habe (Iris Hauth, sehr gut), bei einem anderen habe ich die Autorin selbst etwas über ihr Buch sagen hören (Christiane Wirtz, sehr interessant) und das dritte Buch (Susan Otto) finde ich vom Thema her ebenfalls interessant, so dass ich es als Lesestoff empfehle.

Iris Hauth: Keine Angst: Was wir gegen Ängste und Depressionen tun können, berlin Verlag 2018

Das erste Buch hat Iris Hauth geschrieben: Sie ist seit vielen Jahren Klinikleiterin der der Klinik Weißensee, war Präsidentin der DGPPN und ist mir schon vor 22 Jahren aufgefallen, weil sie als erste von der Einbeziehung von Angehörigen in das Geschehen im Krankenhaus und auch in die Therapie sprach. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, noch mehr hätte mir gefallen, wenn ich es schon vor 22 Jahren hätte lesen können. Sie erklärt, was in einer Klinik passiert, welche Medikamenten es wann gibt, welche Therapieformen es gibt. Sie schreibt bewusst für Laien, so dass es mir damals sehr geholfen hätte. Was mir besonders gefallen hat, ist die Tatsache, dass sie beschreibt, was sie emotional zu der Psychiatrie gebracht hat, nämlich am Beispiel ihrer Mutter hat sie gelernt, dass bei Krankheit, Schmerzen oder Luftnot vor allem menschliche Zuwendung hilft. Wirklich lesenswert. Von solchen Psychiaterinnen sollte es mehr geben.

Keine Angst!: Was wir gegen Depressionen und Ängste tun können. Eine Klinikleiterin erzählt von [Hauth, Iris]

Buchempfehlungen für Angehörige psychisch Kranker

 

Christina Wirtz: Neben der Spur: Wenn die Psychose die soziale Existenz vernichtet. Dietz 2018

Das zweite Buch, dessen Autorin mir im Video besonders sympathisch, offen und reflektiert erschien, kann ich ebenfalls empfehlen, auch wenn ich es selbst noch nicht gelesen habe. Christiane Wirtz versucht herauszufinden, was genau in ihrer Psychose geschah, vor allem aber auch, wie andere Menschen sie wahrgenommen haben. Sie hat die Menschen, denen sie in ihrer Psychose begegnet ist, aufgesucht und sie nach deren Eindruck von ihr befragt. Sie verklärt nichts, wie es in Betroffenenbüchern manchmal der Fall ist, sondern lässt auch Raum dafür, dass es für manche ihrer Bekannten schwierig war, während der Psychose mit ihr umzugehen. Vor allem den Untertitel finde ich großartig: Wenn die Psychose de soziale Existenz vernichtet. Darüber wird viel zu wenig geschrieben. ich habe erlebt, wie auch meine Tochter ohne meine Hilfe an den Rand ihrer sozialen Existenz gekommen wäre. Darüber sollte man viel mehr wissen und es auch berücksichtigen, wenn Menschen sich weigern, sich behandeln zu lassen. Bestimmt sehr lesenswert, ich freue mich schon auf das Buch.

Buchempfehlungen für Angehörige psychisch Kranker

Susan Otto: Schizoaffektiv – überbordende Innenwelten, BoD 2018

Das dritte Buch wurde von einer Frau geschrieben, die ihre Erfahrungen mit ihrer schizo-affektiven Erkrankung beschreibt. Ich habe es noch nicht gelesen, aber sie hatte mich gebeten, ob ich ihr Buch nicht auf meiner Seite etwas promoten könne. Das tue ich natürlich gern. Und das hat sie mir selbst zu ihrem Buch geschrieben:

Seit 17 Jahren habe ich nun die Diagnose „Schizoaffektiv“, eine Mischung aus bipolarer Störung und Symptomen aus dem schizophrenen Formenkreis. Seit dem Jahr 2006 bin ich zwar phasenfrei, dafür hat sich eine starke sensorische Überempfindlichkeit entwickelt, die dazu führt, dass ich sozusagen „das Gras wachsen höre“. Vor etwa 5 Jahren kam ich auf die Idee, meine eigenen Erfahrungen, Beobachtungen und Erkenntnisse langsam zusammenzutragen, das fachliche Wissen über diese Krankheit aus Sicht einer Betroffenen zu ergänzen und zu verfeinern und auch einige Irrtümer aufzuklären, die vorwiegend klischeebehaftet sind. Es gibt vorwiegend Fachbücher zu diesem Thema, die von Ärzten oder Therapeuten verfasst wurden, aber kaum Bücher von Patienten und Betroffenen. Das mag auch daran liegen, dass viele Patienten in ihrer Gesundungsphase ihr psychotisches Erleben weit von sich schieben, aus Angst, sie könnten wieder „verrückt“ werden, wenn sie sich gedanklich mit ihrer Psychose beschäftigen. Ich habe dieses Feld beschritten. Es war mir ein wichtiges Anliegen, herauszustellen, dass psychische Krankheiten in einem hohen Maß mit der Wahrnehmung von Phänomenen einhergehen, die in unserem Kulturkreis unter die Kategorie Esoterik bzw. Spiritualität fallen und deren konkrete Inhalte in der klinischen Psychiatrie nicht von Interesse sind. Es war mir außerdem wichtig, zu beschreiebn, dass die Wahrheit sehr stark an die individuelle Wahrnehmung eines Menschen gebunden ist und dass psychisch Erkrankte mit einer Wahrheit leben, die von Außenstehenden oft nicht nachvollzogen werden kann. Ich selbst habe meine Erkrankung als Schlüssel zu einem erweiterten Bewußtsein erfahren. Die engen Bewußtseinsgitter der Depression lösten sich langsam auf und infolge eines Autounfalls im Jahr 2002, während meiner ersten Manie, fielen schlagartig Ereignisse zusammen, die ich nur als „Antwort aus dem Jenseits“ interpretieren konnte und an dieser Überzeugung hat sich bis heute nichts geändert. Ich wurde zu dieser Zeit mit einer Ansammlung von Symbolen, Zeichen und Zahlen konfrontiert, hinter denen sich unabhängig voneinander immer wieder dieselben Botschaften verbargen, die richtungsweisend für meine Vergangenheit und auch meine Zukunft waren. Diese Zeichen waren also allesamt Codierungen für darunterliegende Botschaften. Ich gehe in meinem Buch außerdem auf Grenzälle der Psychiatrie ein, Phänomene, wie die dämonische Besessenheit, die ich aus verschiedenen Perspektiven beleuchte, sowie Phänomene der außersinnlichen Wahrnehmung.

Für uns Angehörige ist es unendlich wichtig, mehr darüber zu wissen, was unsere Kinder oder Lebenspartner in ihren Krisenphasen erleben, daher halte ich auch dieses Buch für wichtig. Ich selbst habe von den Gesprächen mit meiner Tochter auch viel gelernt.

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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