Janine Berg-Peer/ Dezember 24, 2024/ Alle Artikel, Angehörige, Empfehlungen, Termine/ 0Kommentare

Ein schönes und friedliches Weihnachtsfest – auch für psychisch Erkrankte!

Viele von uns freuen sich auf Weihnachten, oft planen wir ein schönes Fest mit der ganzen Familie oder auch mit Freunden. Wir geben uns Mühe, überlegen, was wir kochen wollen, wie wir den Baum schmücken oder wenigstens den Tisch mit einem kleinen Tannengesteck schmücken können. Oft sind gerade wir Mütter nach all dem Einkaufen, Planen, kochen und aufräumen schon vor dem Weihnachtsfest etwas gestresst oder meistens auch etwas müde.
Es kann dann am Heilig Abend auch ganz anders verlaufen, als wir uns das gewünscht haben. Es kann Streit oder Missverständnisse geben. Kinder quengeln und mögen nichts von dem, was gekocht wurde. Sie wollen keine Ente à l´Orange oder Beef Wellington. Sie wollen Fischstäbchen oder einfach nur Pommes mit Ketchup. Schwiegertöchter geraten in Stress, weil sie Angst haben, die Schwiegermutter zu enttäuschen oder zu verärgern. Die jüngere Schwester streitet sich immer mit dem Mann ihrer älteren Schwester und der 14jährige Enkelsohn hat ständig Kopfhörer auf und hängt auf dem Sofa herum. Der Sohn streitet sich mit seinem Vater über die Politik in der Ukraine oder in Gaza – selbstverständlich haben sie völlig unterschiedliche Meinungen. Sie versuchen, alle zu beruhigen, in dem Sie alle bitten, heute doch einfach mal den schönen Abend genießen und nicht zu streiten.
Variationen von diesem Szenario kennen vielleicht viele von Ihnen. oder Sie gehören zu den glücklichen Familien, in denen es nie Streit gibt und alle immer glücklich miteinander sind.

Ein schönes und friedliches Weihnachtsfest – auch für psychisch Erkrankte!

Warum kommt es so oft gerade an Feiertagen zu Streit? Vielleicht, weil wir zu große Erwartungen an diesen Abend haben. In Filmen und noch mehr in der Werbung werden uns Bilder von großen, immer lachenden, glücklichen Familien vor Augen geführt. Das Essen gelingt immer – nicht zuletzt, weil wir diese ganz besondere Zutat gekauft haben, die nicht nur gut schmeckt, sondern auch glücklich macht. Warum ist das dann bei uns oft ganz anders? Wir sind Menschen, die nicht immer in so großer Zahl aufeinander hocken, nicht alle Menschen lieben sich, nur weil sie zur Familie gehören und mit einem Familienmitglied befreundet sind. Außerdem wissen wir nicht, ob nicht einer oder eine der Anwesenden gerade mit anderen Problemen kämpfen muss oder so erschöpft ist, dass sie ohnehin überhaupt keine Lust auf diesem Familienabend hatte.

Können Sie sich vorstellen, dass so ein Abend noch ganz besondere Anforderungen an uns alle stellt, wenn eines der Familienmitglieder an einer psychischen Erkrankung leidet? Es kann schon bei der Vorbereitung beginnen. Der Schwiegersohn findet es schwierig, wenn der psychisch erkrankte Sohn dabei ist. Die Schwiegertochter, also die Schwester, will ihren kranken Bruder nicht ausschließen, hat aber auch Angst davor, dass ihr Mann sauer wird und den ganzen Abend mit schlechter Laune verderben kann. Ein Enkelsohn sagt, dass Onkel Thomas immer so komisch ist und manchmal auch böse wird. Er will nicht dorthin gehen, wenn der auch kommt. Sie selbst versuchen, zwischen allen auszugleichen, was aber mühsam wird und irgendwann sagt ihr Mann „Verdammt noch mal, dann sagen wir eben einfach alles ab, wenn die alle so rumzicken. Vielleicht gibt es einen schönen Film, dann haben wir unsere Ruhe!“

Ein schönes und friedliches Weihnachtsfest – auch für psychisch Erkrankte!

Jetzt kommt das Schwierigste: Der erkrankte Sohn freut sich schon auf Weihnachten, weil es immer so schöne Sachen zu essen gibt. Und weil er sich freut, seine Schwester wiederzusehen. Er ahnt nichts davon, dass es seinetwegen schon im Vorfeld Krach gibt. Was sollen Sie ihm sagen? Sie möchten ihn auf keinen Fall enttäuschen, sie möchten unbedingt, dass auch er ein schönes Fest hat.

Warum kann es nicht einfacher sein? Warum können Sie nicht mit den anderen Kindern reden und sie darum bitten, doch diesen einen Abend auch für dein erkrankten Bruder oder die erkrankte Schwester schön zu machen? Möchten sie ausgeschlossen werden, nur, weil sie krank sind? Könnte man nicht überlegen, wie man es gemeinsam organisiert? Können die Familienmitglieder sich nicht bereit erklären, immer eine Stunde für den Erkrankten da zu sein? Kann man nicht mit „Macken“ eines Familienmitglieds gelassen umgehen? Ja, jeder wünscht sich ein schönes Weihnachten, aber wenn ein Familienmitglied krank ist, dann wird das Fest eben ein bisschen anders. Aber es kann dennoch schön sein.

Ein schönes und friedliches Weihnachtsfest – auch für psychisch Erkrankte!

Auch für die Betroffenen kann es schwierig sein, plötzlich von so vielen Menschen umgeben zu sein. Es kann zu laut sein, zu hell – die vielen Kerzen – , oder er wird ungeduldig, weil beim Fest alles etwas langsamer voran geht? Finden Sie eine Möglichkeit, auf die Betroffenen Rücksicht zu nehmen und sie zu integrieren, es ist Weihnachten!

Wenn die Betroffenen noch mitten in einer Krise sind, dann könnte man getrennt feiern. Vielleicht mit den Erkrankten einer Tag früher oder eben Tag später. Oder man holt ihn oder sie kurz aus dem Krankenhaus oder aus der Wohnung und bringt ihn oder sie nach ein oder zwei Stunden wieder zurück. Seien Sie fantasievoll. Es darf nicht zu einer Situation kommen, in der die anderen Familienmitglieder sagen „Wenn sie dabei ist, dann komme ich nicht!“ Das ist brutal und lieblos. Meine Tochter und ich haben das erlebt. Menschen haben mich ausgeladen, wenn sie auch mitkommen sollte. Menschen wollten nicht zu mir kommen, wenn sie auch da sein würde. So sollte es nicht sein.

Stellen Sie sich vor, es gibt einen leicht dementen Großvater – würden Sie den ausschließen wollen? Oder eine Tochter, die im Rollstuhl sitzen muss? Würden Sie akzeptieren, dass diese Menschen ausgeschlossen werden?

Ein schönes und friedliches Weihnachtsfest – auch für psychisch Erkrankte!

Als Eltern müssen oder können Sie nicht immer alle Kinder glücklich machen. Entscheiden Sie, ob Sie das psychisch erkrankte Kind wirklich ausschließen wollen, oder ob Sie von den anderen Familienmitgliedern ein kleines Opfer verlangen können. Sie können mit allen reden. Auch Enkelkinder können verstehen, dass ein Onkel oder eine Tante krank sind, und dass sie sich daher manchmal ein bisschen komisch benehmen. Reden Sie mit allen, oft kommt die Ablehnung auch daher, dass man zu wenig von der Krankheit versteht.

Aber es kann auch alles ganz anders werden. Die Erkrankten sind glücklich, wenn sie dabei sein können und nicht ausgeschlossen werden. Wenn ihnen dann alles nach ein oder zwei Stunden zu viel wird, dann kann jemand sich jemand anbieten, die Betroffenen einfach früher nachhause zu bringen.

Und Sie werden sich nachher gut fühlen, weil Sie nicht gerade am Fest der Liebe eine Person ausgeschlossen haben, die ohnehin in ihrem Leben schon so häufig ausgeschlossen wird.

Also, in diesem Sinne ein schönes Weihnachtsfest! Und hoffentlich bis zum Neuen Jahr!

 

 

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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