Janine Berg-Peer/ September 17, 2015/ Alle Artikel/ 0Kommentare

Schweizer Köstlichkeiten

Schweizer Köstlichkeiten

Hartmut Haker „Station 23″ Begegnungen in der Psychiatrie“ Wiedenverlag 2010

Ein junger Mann findet sich eines Tages in der Psychiatrie wieder, hat aber nur wenig Erinnerung daran, warum er hier gelandet ist. Hartmut Haker macht sich in seinem autobiografischen Buch auf die Suche nach den Ursachen für seine Erkrankung. Gleichzeitig beschreibt er das Leben auf seiner Station mit dem erzwungenen Zusammenleben mit anderen Kranken, mit Pflegern und Therapiesitzungen mit seinem Psychiater. Er berichtet von der Diagnose seiner Ärzte – Angstzustände, Verfolgungswahn und Halluzinationen und möchte wissen, wie es dazu kommen konnte. Er denkt über sich nach, erzählt von ihn stark belastenden Erfahrungen – Trennung der Eltern, eine unglückliche Liebe, aber er berichtet auch offen von seinen Exzessen mit Alkohol, Frauen und hohen Geldausgaben. Um mehr über sich zu erfahren, bittet er seine Familie und alte Freunde, ihm zu schreiben, wie sie ihn als jungen Menschen kennengelernt haben und wie sie zu ihm stehen. Aber auch die Geschichte seiner Mitpatienten interessiert ihn und er bittet sie, ihm für sein Buch aus ihrem Leben zu erzählen.

Hartmut Haker hat einen frischen und natürlichen Erzählstil, man sieht die Station, die Patienten und den auch manchmal strengen Oberarzt unmittelbar vor sich. Er schont sich nicht, sondern erzählt offen davon, dass er mit seinem Verhalten nach den Krankenhausaufenthalten manches Mal eine neue Krise hervorgerufen hat. Aber war es schon der Beginn einer manischen Phase, der ihn dazu brachte, wieder Alkohol zu trinken und sich keine Ruhe zu gönnen? Oder war es die für ihn schlimme Trennung der Eltern, die ihn zu diesem Verhalten gebracht hat? Immer wieder wird deutlich, wie sehr ihn die Trennung der Eltern getroffen und verunsichert hat. Er fühlte sich wie aus dem Paradies einer behüteten und liebevollen Kindheit vertrieben. Auch die Episode mit seiner unglücklichen Liebe zeigt, wie empfindsam er ist und wie wenig er es verarbeiten kann, wenn er sich zurückgewiesen fühlt. Freunde und Verwandte zeichnen in ihren Briefen das Bild eines geliebten und fröhlichen Jungen. Mit seinen Mitpatienten geht er interessiert, vorsichtig und freundlich um: Unverfälscht aber respektvoll beschreibt er ihre teilweise dramatischen Lebenserfahrungen. Wenn er seine Angst, seine Paranoia und seine immer wiederkehrenden Manien beschreibt, wird nachfühlbar, wie sehr Menschen leiden müssen, die an psychischen Störungen leiden.

Hartmut Haker „Station 23“ 

Hartmut Haker hat einen frischen und natürlichen Erzählstil, man sieht die Station, die Patienten und den auch manchmal strengen Oberarzt unmittelbar vor sich. Er schont sich nicht, sondern erzählt offen davon, dass er mit seinem Verhalten nach den Krankenhausaufenthalten manches Mal eine neue Krise hervorgerufen hat. Aber war es schon der Beginn einer manischen Phase, der ihn dazu brachte, wieder Alkohol zu trinken und sich keine Ruhe zu gönnen? Oder war es die für ihn schlimme Trennung der Eltern, die ihn zu diesem Verhalten gebracht hat? Immer wieder wird deutlich, wie sehr ihn die Trennung der Eltern getroffen und verunsichert hat. Er fühlte sich wie aus dem Paradies einer behüteten und liebevollen Kindheit vertrieben. Auch die Episode mit seiner unglücklichen Liebe zeigt, wie empfindsam er ist und wie wenig er es verarbeiten kann, wenn er sich zurückgewiesen fühlt. Freunde und Verwandte zeichnen in ihren Briefen das Bild eines geliebten und fröhlichen Jungen. Mit seinen Mitpatienten geht er interessiert, vorsichtig und freundlich um: Unverfälscht aber respektvoll beschreibt er ihre teilweise dramatischen Lebenserfahrungen. Wenn er seine Angst, seine Paranoia und seine immer wiederkehrenden Manien beschreibt, wird nachfühlbar, wie sehr Menschen leiden müssen, die an psychischen Störungen leiden.

Hartmut Haker „Station 23“ 

Mich hat beeindruckt, dass Hartmut Haker offen und selbstkritisch von sich erzählt. Er beschreibt, wie es ihm als Kind und später als jungem Mann ging, aber weder bewertet und beschuldigt er seine Eltern und seine Umgebung, noch seine unglückliche Liebe und nicht einmal die Psychiatrie. Er will wirklich verstehen, was zu seinen Krankheitsphasen geführt hat, er sucht nach auslösenden Faktoren, aber er gibt niemandem die „Schuld“ an seiner Situation. Im Gegenteil, er versucht auch seine Eltern zu verstehen und man spürt, dass ihn auch heute noch eine große Zuneigung mit ihnen verbindet. Es wird deutlich, dass er in einem liebevollen, christlich orientierten Umfeld in schöner Natur großgeworden ist. Seine Großmutter und die Freunde seiner Eltern unterstützen ihn: Sie antworten ihm auf seine Bitte ausführlich und schildern ihn als ein vergnügtes und strahlende Kind und später jungen Mann, der von allen geliebt wurde. Auch die Psychiatrie muss bei ihm nicht als Sündenbock herhalten: Nüchtern aber oft auch mit Humor beschreibt er, was er dort erlebt, aber selbst zu dem – aus meiner Sicht – manchmal etwas strengen Oberarzt hat er eine gute Beziehung. Er fühlt sich von ihm unterstützt und verstanden. Zum Schluss seines Buches fragt er sich, ob es vielleicht gar keinen Grund für sein Krankheit gibt, ob manche Dinge im Leben einfach passieren.

Hartmut Haker „Station 23“ 

Auch beeindruckend für mich ist es, wie er die zugewandte und wenig aufgeregte Haltung seiner Eltern, seiner Großmutter und seiner Freunde beschreibt. Man möchte vielen psychisch Erkrankten eine solche Familie und solche Freunde wünschen. Aber die Haltung, mit der er das Buch schreibt macht auch deutlich, dass es eben auch an ihm liegt, an seiner Fähigkeit, trotz Krankheit Beziehungen zu halten, dass Freunde und Familie ihn unterstützen.

„Station 23“ ist ein Buch, dass ich vorhaltlos empfehlen kann: Es ist gut geschrieben, der Autor geht offen mit sich und seinem Umfeld um und schildert auch manches Mal mit Humor, was Betroffene alles so im krankenhausalltag erleben können. Wir Angehörigen können daraus lernen, wie es den Erkrankten geht, woran sie leiden und vielleicht auch, wie wir sie unterstützen können. Ich hoffe, dass Hartmut Haker weiter schreibt.

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Bis bald.

Nachtrag, aber ein wichtiger!

Gestern schreibe mir Hartmut Haker, dass es ihm jetzt gut gehe. Das freut mich sehr und vor allem sollten wir Angehörigen in unseren Äderigsten uns immer wieder vor Augen halten, dass eine Krise nicht immer eine Krise sein muss, dass es auch eider besser werden kann.

Hartmut Haker: In Ihrem Blog können Sie ja zu der Rezension noch folgendes anfügen – meine heutige Situation:
Heute bin ich 41 Jahre bin alt, vor 16 Jahren erschien mein erstes Buch „Station 23 – Begegnungen in der Psychiatrie“. Ich bin verheiratet und Vater eines dreijährigen Sohnes, lebe in Ratzeburg und arbeite als Konstrukteur für Baustatik. Nach meinem ersten Buch sind noch vier weitere autobiographische Bücher und ein Theaterstück erschienen. Meine Veröffentlichungen durchzieht das Thema der psychischen Erkrankung. Mir ist klar: meine schizoaffektive Pychose wird mich mein ganzes Leben begleiten. Aus meinen Büchern halte ich Lesungen und möchte einen Beitrag zur Aufklärung über psychische Erkrankungen und zu deren Entstigmatisierung leisten und den vielen Betroffenen Mut machen.
Weiter so, Hartmut Haker! das macht allen Mut.

 

 

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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