In Norwegen ist es auch nicht besser
Haben wir nicht immer wieder gehört, dass in den Skandinavischen Ländern in der Psychiatrie alles besser ist? Am 18.10.2014 durfte ich auf der Jahrestagung des norwegischen Angehörigenverbands eine Vortrag halten mit dem Titel „Recovery for Carers – Recovery für Angehörige“. Ich habe ihnen meinen Überlegungen vorgestellt, wie Angehörige lernen können, von anhaltender Sorge und Angst und Überanstrengung zu mehr Gelassenheit und Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Kinder oder Partner zu kommen. Der Vortrag wurde gut aufgenommen und in den Diskussionen im Anschluss wurde berichtet, dass diese Diskussion auch in Norwegen intensiv und kontrovers geführt wird. Sollen oder müssen wir ständig unsere erkrankten Familienmitglieder betreuen oder gar kontrollieren? Oder sollen wir sie wie erwachsene und selbständige Menschen behandeln, die in krisenfreien Phasen durchaus selber Entscheidungen fällen können und auch die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen können.
In Norwegen ist es auch nicht besser
Aber natürlich kamen wir auch in der Diskussion und beim Essen auf die Alltagsthemen, die uns alle beschäftigen: schneller Zugang zum Krankenhaus oder zu ambulanter Hilfe, Einbeziehung der Angehörigen. Und hier hörte ich zu meinem Erstaunen die gleichen Klagen, die ich auch in Deutschland kenne – auch aus eigener Erfahrung. Angehörige werden eben nicht immer einbezogen. Vom Grundsatz her kann man sich das Krankenhaus aussuchen, aber eben nur vom Grundsatz her. Vom Grundsatz her hat man ein Anrecht auf ein Bett in einem bestimmten Krankenhaus, aber wenn eben kein Bett frei ist, dann hat man Pech. Die Mitarbeiter des Krankenhauses sind verpflichtet, dem Betroffenen oder den Angehörten zu sagen, wie lange sie auf dieses Bett warten müssen, aber am Wochenende ist halt niemand da, der das weiß.
Also ist es ähnlich wie bei uns: Es gibt alle diese wunderschönen Dinge wie Hometreatment, Soziotherapeuten, Krisenpension oder Soteriastationen. Wenn man so etwas aber braucht, dann klappt es oft nicht: Falsche Krankenkasse, falscher Bezirk, kein Bett frei, die Ärzte haben keine Zeit, es ist Wochenende. Und in den ländlichen Regionen Norwegens – und davon gibt es in Norwegen sehr viel – ist es ganz schwierig. Das kennen wir doch auch in Deutschland, oder?
In Norwegen ist es auch nicht besser
Nun, im nächsten Monat bin ich wieder nach Oslo eingeladen, dieses Mal aber zusammen mit meiner Tochter. Wir werden einen Vortrag halten, in dem es darum geht, was meine Tochter denn dazu sagt, dass ich inzwischen zu einer gelasseneren Angehörigen geworden bin. Finde ich zumindest, bin mal gespannt, wie sie das sieht. Unser Vortrag heißt „Keep Cool, Mom! We both have to learn how to cope with Mental Illness“ (Ruhe bewahren, Mami! Wir müssen beide lernen, mit der psychischen Krankheit umzugehen). Das war ihr Vorschlag.
Und dann werde ich mich genauer erkundigen, wie das so in Norwegen ist. Dann kann ich auch etwas mehr darüber sagen. Auf jeden Fall war die Tagung wunderbar, es waren 120 Leute da, erstaunlich für ein so kleines Land wie Norwegen, davon träumen wir nur! Vor mir waren 3 junge Betroffene auf dem Podium und obwohl ich natürlich kein einziges Wort norwegisch verstehe, wurde so viel gelacht und geklatscht, dass der Vortrag wunderbar gewesen sein muss. Überhaupt war die Stimmung gut und die Angehörigen waren, wie alle Leute, die in auf meinem ersten kurzen Norwegentrip kennengelernt habe, ausgesprochen freundlich. Ich freu mich schon auf die nächste Reise, dann bleiben wir eine Wochen in Oslo. Und treffen hoffentlich Mette-Marit! -:)
In Norwegen ist es auch nicht besser
Mich interessiert ja das Essen immer n einem anderen Land. Ich wollte nachmittags etwas typisch norwegisches essen und bekam einen köstlichen Hühnchensalat mit den erstaunlichsten grünen Kräutern. Vielleicht nicht so ganz exotisch, aber sehr lecker. Dann bin ich leider eingeschlafen und dann war abends die Küche zu, so dass ich auf Schokolade und Chips und Erdnüsse aus der Minibar ausweichen musste. Das führte zu einem entsetzlichen Kater am nächsten Morgen, was aber nur Menschen verstehen, die auch an einer Histaminunverträglichkeit leiden. Nie wieder Schokolade und Erdnüsse! Dafür war dann das Frühstück herrlich: 2000 Kalorien pro Teller, aber köstlich: 5 verschiedene eingelegte Fischsorten, Italian Salad (was wir hier Coleslaw nennen), Eier in jeder Form, norwegische Idlis mit Marmelade oder dicker Schlagsahne, (Idlis sind kleine indische Reisküchlein, die man zum Frühstück isst, hier sind die sicher aus normalem Mehl) und natürlich last but not least der braune norwegische Käse. Ähm, den hab ich noch nicht versucht, weil, also irgendwie sah der komisch aus, aber wenn ich euch erzählen würde, wie der Taxifahrer das fand, als er zum ersten Mal Sauerkraut roch und essen musste, dann könnt ihr euch das vorstellen. Der ist wohl eine Spezialität, also nicht das Sauerkraut, sondern der braune Käse und soll süß schmecken. Hm.
Und das Wetter? So war der Ausblick aus meinem Hotelzimmer, und wie mir gesagt wurde, ist es oft so. Also tatsächlich die skandinavischer Krimiatmosphäre, jetzt verstehe ich, warum das in den Krimis immer alles so bräunlich und gräulich und grünlich ist. Und neblig. Genau so sah das hier auch aus. Ich bin gespannt auf Oslo, nur wurde mir für Ende November ein dicker Pelz und Schneeschuhe empfohlen. Brrr.