Schöne Lesung „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ im KEH in Berlin
Das Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge – KEH hatte mir die Möglichkeit gegeben, im Patientenclub etwas aus meinem Buch „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ vorzulesen. Darauf hatte ich mich gefreut. Und noch mehr freute ich mich, als ich den schönen Raum betrat: Locker verteilte Tische, überall Blumen, schöne Bilder an den Wänden – die Malerin war anwesend -, schöne Beleuchtung und eine sehr freundliche und hilfsbereite Frau Gernentz, Leiterin des Patientenclubs, die alles organisiert hatte und mich besonders freundlich vorstellte. Anwesend waren Angehörige und Betroffene, wie sich nachher in der Diskussion herausstellte.
Schöne Lesung „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ im KEH in Berlin
Nach der Lesung bleiben noch viele der Zuhörerinnen und Zuhörer und nach einer kleinen Zigarettenpause konnten wir uns über Erfahrungen austauschen. Immer wieder mache ich die Erfahrung bei Lesungen, dass ich wieder viel Neues lernen kann. Eine pensionierte Ärztin wies darauf hin, dass sie die schnelle Diagnose „Schizophrenie“ nach 15 Minuten Unterhaltung für fragwürdig hielt. Ich kann ihr nur zustimmen. Sie war wie ich der Meinung, dass die Aussage „Ihre Tochter hat eine Psychose“ in dieser Situation richtiger und auch schonender gewesen wäre. Einige Mütter berichteten über die Situation ihrer gerade erkrankten Kinder. Und da konnte ich erfreut feststellen, dass sie heute andere Erfahrungen machen als ich es vor 17 Jahren tat: Sie wurden von den Ärztinnen und Ärzten gut informiert, wurden auf Angehörigengruppen und andere Formen von Hilfe hingewiesen. Es hat sich also etwas verbessert und das ist gut. Und trotz ihres Kummers über die Erkrankung berichteten diese Mütter, wie sie tatkräftig und mit viel Einfallsreichtum alles taten, um die optimale Unterstützung ihres Kindes zu bekommen. Das ist gut, so sollten Eltern sein. Ich habe mich früher viel zu viel verunsichern lassen.
Schöne Lesung „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ im KEH in Berlin
Und besonders gefreut haben mich auch die Beiträge der Betroffenen. Es kam die Frage auf, ob man über seine Krankheit sprechen darf oder nicht. Ein junger Mann berichtete, dass alle seine Arbeitskollegen Bescheid wüssten, sie auch genau nachfragten, wie es denn mit so einer Krankheit sie und worauf sie achten sollte. Sie würden ihn schützen, aber auch mal darauf hinweisen, dass manches nicht gut liefe und er sich besser eine kurze Auszeit nehmen solle. Mehrere waren der Meinung, dass es eine schlimme Belastung sie, nicht offen darüber zu sprechen, weil immer die Gefahr der „Entdeckung“ da sei. Mir hat das sehr gut gefallen, weil das eine Haltung ist, die ich auch befürworte. Aber sicher muss das jeder für sich selbst entscheiden, man kann niemanden dazu anhalten, offen zu sein. Auch ich weiß, dass es Nachteile haben kann. Aber alle – ich eigeschlossen – hatten selbst die Erfahrung gemacht, dass Offenheit die beste Lösung ist: Fast alle Angesprochenen berichten, dass ihnen jeder sofort berichtete, dass auch er einen Bruder, eine Tochter, eine Tante, eine Mutter…. habe, die einmal an einer psychischen Erkrankung gelitten hatte. Es war nur eine kleine Gruppe von Menschen und man kann das nicht verallgemeinern. Aber für mich war es wohltuend, diese Meinungen zu hören.
Schöne Lesung „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ im KEH in Berlin
Ein bisschen enttäuscht war ich darüber, dass aus der Klinik selbst und auch von außen keine Psychiaterinnern oder Therapeutinnen (Männer sind immer mit gemeint) erschienen waren. Nein, stimmt nicht! Der ärztliche Direktor des KEH, Dr. Dieffenbacher war gekommen, hat mich freundlich begrüßt und sogar eine Zeitlang zugehört – er hatte vorher schon angekündigt, dass er leider früher gehen müsse. Aber ansonsten? Schade, aber ich sollte mich nicht wundern. Erlebe ich doch immer bei Tagungen in Deutschland und international, dass die Ankündigung des thematischen Blocks „Angehörige“ zum Exodus der Fachleute führt. Sie alle haben dann sehr schnell etwas ganz Wichtiges zu tun.
Schöne Lesung „Schizophrenie ist scheiße, Mama!“ im KEH in Berlin
Als Letzes fragte mich eine Zuhörerin, wie lange ich denn einen Verlag gesucht hätte. Sie würde auch gern über dieses Thema schreiben, glaubte aber, dass sich doch „für sowas niemand interessiere!“ Ich musste dazu gar nichts sagen, denn ein sehr junger Mann riet ihr, doch auf jeden Fall zu schreiben. Wenn es mehr Bücher zu diesem Thema gäbe,würde sich auch von selbst eine Nachfrage schaffen. Wenn die Menschen das Buch sähen, würden sie auch neugierig werden. Ein kluger junge Mann. Wir verabschiedeten uns alle freundlich und mir hat der Abend Freude gemacht.
Ein Dank an die geduldigen Zuhörerinnen und Zuhörer und an Frau Gernentz. Und danke für den schönen Blumenstrauss. So macht Lesen Spaß!