Janine Berg-Peer/ November 19, 2013/ Alle Artikel/ 0Kommentare

zitrone-160-120-pixelio„Sie sind ja schizophren“, sagt Herr Plasberg

Gestern habe ich wieder einmal die Talkshow von Herrn Plasberg „Hart aber fair“ angesehen und angehört. Ich mag diesen Journalisten, ich finde ihn angenehm, er ist nett und oft auch kenntnisreich. Es ging um Herr Wulff, Sie erinnern sich, unseren ehemaligen Präsidenten, und um Herrn  Hoeness, Sie wissen schon, diesen Verbandspräsidenten, der wohl auch nicht so ganz korrekt mit viel Geld umgegangen ist. Mir sind die beiden Herren nicht so wichtig, aber klar, darüber muss und kann man reden. Es waren nette Leute da, die etwas dazu gesagt haben, unter anderem Herr Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung. Auch er ist ein netter Mann. Und dann ging es darum, dass Herr Leyendecker wohl in München arbeitet, aber einem nicht in Bayern verorteten Fussballverein schätzt. Auch das ist mir ziemlich egal, falls es überhaupt ein Problem ist. Auch Herr Leyendecker sah nicht so aus, als ob ihm das schlaflose Nächte bereitete. Und dann kam´s: „Sie sind ja schizophren“, sagte Herr Plasberg munter zu Herrn Leyendecker und spielte damit wohl auf diese immense Schwierigkeit an, in München zu arbeiten und nicht Bayern-München-Fan zu sein. Alle Teilnehmer guckten amüsiert bis entspannt. Ich war nicht entspannt, sondern fand das ärgerlich und und vollkommen unnötig. Und daher habe ich heute einen Leserbrief egschrieben. Nicht, dass das irgendetwas nützt, aber vielleicht nehmen es sich wenigstens die studentischen Hiwis, die vermutlich Zuschauerpost durchlesen, zu Herzen.

„Sie sind ja schizophren“, sagt Herr Plasbergzitrone-160-120-pixelio

Sehr geehrte Damen und Herren,
gestern am 18.11.2013 ging es unter anderem auch um Vorbilder. Nun könnte man sagen, dass auch Journalisten für viele Menschen Vorbilder sind oder sein sollten, was einen differenzierten und korrekten Sprachgebrauch betrifft. Herrn Plasberg habe ich bislang auch immer als jemanden erlebt, der dieser Annahme gerecht wird. Umso überraschter und enttäuschter war ich gestern, als er Herrn Leyendecker munter und unbeschwert zurief, dass dieser ja schizophren sei. Ich denke, dass wir uns alle einig sind, dass Herr Leyendecker nicht an der Krankheit Schizophrenie leidet und dass Herr Plasberg irgendwie meinte, dass Herr Leyendecker hin- und hergerissen sei zwischen seinem Arbeitsort und der Vorliebe für einen bestimmten Fussballverein.

Das hat aber mit der furchtbaren Krankheit Schizophrenie nichts zu tun, es ist sowohl inhaltlich falsch als vor allem sehr kränkend für Menschen, die an dieser Krankheit leiden. Zum Faktencheck: Schizophrenie hat weder etwas mit einer gespaltenen Persönlichkeit, noch mit hin- und hergerissensein zu tun. zitrone-160-120-pixelioDas lässt sich z.B. durch Nachlesen im Internet bei der DGPPN oder beim Kompetenznetzes Schizophrenie leicht nachlesen.
Aber mir geht es nicht vor allem um Korrektheit oder gar politische Korrektheit. Es geht mir darum, dass Menschen mit dieser Krankheit sehr darunter leiden, wenn sich Menschen im Alltagsgebrauch und zunehmend im Fernsehen so flapsig diesen Begriff gegenseitig an an den Kopf werfen. Da bitte ich eben auch den von mir geschätzten Herr Plasberg, der sicher auch für Viele ein Vorbild ist, um ein bisschen mehr an Fingerspitzengefühl oder auch Achtsamkeit.

 

Mit den besten Grüßen,
Janine Berg-Peer
Autorin von „Schizophrenie ist scheiße, Mama! Vom Leben mit meiner psychisch erkrankten Tochter, Fischer Verlag 2013
Deutsche Repräsentantin von EUFAMI, dem europäischen Netzwerk der Familien mit psychisch kranken Angehörigen

 Bildnachweis: © Benjamin Klack / pixelio

Über Janine Berg-Peer

Wir bieten monatlich kostenlose Online-Gruppen für Angehörige an. Jeder kann sich anmelden. Termin finden Sie weiter oben im Blog. Alle zwei Monate bieten wir auch englische Online-Gruppen an. Janine: Seit 65 Jahren bin ich Angehörige: Meine Mutter litt an einer bipolaren Erkrankung und meine Tochter erhielt vor 28 Jahren die Blitzdiagnose (zehn Minuten) Schizophrenie. Kurz danach einigten die Profis sich darauf, dass sie an einer bipolaren Erkrankung leidet. Wir hatten gemeinsam schlechte, aber mehr gute Zeiten. Selten sind Menschen mit Krisengefährdung ja immer krank. Henriette: Heute "leide" ich gar nicht mehr an meiner bipolaren Erkrankung. Nein, sie ist nicht weg, aber mir geht es gut mit einer kleinen Dosis an Medikamenten und einem sozialen und sozialpsychiatrischen Netzwerk, das mich stützt. Ich arbeite seit über zehn Jahren als Genesungsbegleiterin, zunächst als ambulante Betreuerin, jetzt seit drei Jahren im Krankenhaus, was mir sehr viel Spaß macht. Dazu gehören auch Workshops mit Polizei, Angehörigen oder auch Pflegeschüler:innen. Gemeinsam unterstützen wir jetzt sei drei Jahren Angehörige. Wir berichten von unseren guten und schlechten Erfahrungen und beraten sie oder geben ihnen Hinweise, die sie übernehmen können oder eben nicht. Ich als Betroffene freue mich schon lange wieder am Leben, an meiner Arbeit, meinen Freund:innen und an meinem Kater Giacometti. Ich lese gern, höre sehr gern Musik und liebe Filme. Janine: Auch ich freue mich trotz allem immer noch am Leben, lese viel, liebe meinen Kater Basquiat, Rosen, Opern und Countertenöre, japanische und koreanische Filme . Gemeinsam schreiben wir an unserem neuen Buch für Angehörige, in dem wir versuchen, ihnen besser verständlich zu machen und warum manche Betroffene tun, was sie tun und wie Angehörige sich Graf einstellen können, um möglichst viele nutzlose Konflikte zu vermeiden. Arbeitstitel bislang: "Mensch Mama, mach Dir nicht ständig Sorgen um mich!"

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