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Wir lebten nicht mehr in derselben Realität: Sie wurde ruppig oder weinte stundenlang: Mein Leben mit einer schizophrenen Tochter
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Psychologie, Schizophrenie
Getty Images/shapecharge Mittlerweile hat Janine Berg-Peer gelernt, mit der psychischen Erkrankung ihrer Tochter umzugehen. (Symbolbild)

Die psychische Krankheit brach wie ein Naturereignis in unser Leben ein. Ich brachte meine Tochter ins Krankenhaus, weil sie „merkwürdig“ war. Ich spürte, dass etwas nicht in Ordnung war. Als aber die Worte „Ihre Tochter hat Schizophrenie“ aus dem Mund der Ärztin kamen, dachte ich, der Boden würde sich unter mir auftun.

Schizophrenie – diese furchtbare Krankheit, die ich aus Filmen oder Büchern kannte und in der diese Menschen als gefährliche Irre oder als debile Trottel dargestellt wurden? Auf meine 17-jährige Tochter traf keine dieser Beschreibungen zu. Sie war abwesend, lächelte - für mich grundlos - vor sich hin, verstand nicht, weshalb ich verstört reagierte und weshalb sie in der Psychiatrie bleiben sollte.

Über die Gastautorin

Janine Berg-Peer ist 73 Jahre alt. Sie hat langjährige Erfahrung als Unternehmensberaterin, ist Autorin mehrerer Bücher sowie Coach und Bloggerin. Berg-Peer ist Mutter einer psychisch erkrankten Tochter. Darüber hält sie Lesungen und Vorträge.

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Es war ein Schock für mich

Ich wusste nichts über diese Krankheit, ich wusste nicht, wie sie behandelt werden würde oder wie die Heilungschancen waren. Ich wusste nicht, ob es richtig war, sie im Krankenhaus zu lassen, oder ob ich sie gefährden würde, wenn ich sie wieder mit zu mir nach Hause nähme. Anders als bei körperlichen Krankheiten fand ich niemanden, mit dem ich mich über diese Krankheit hätte austauschen können.

Niemand wies mich auf den Angehörigenverband hin, bei dem ich mir Rat und Trost holen konnte. Es war schwierig, einen Gesprächstermin mit einem Arzt zu bekommen. Sie hatten kaum Zeit, und wenn es dann doch zu einem Gespräch kam, wussten sie nicht, was sie mir sagen sollten. Sie sprachen über die Fehlfunktionen von Neurotransmittern und Neuroleptika. Ich verstand gar nichts. Auf die Frage, wie lange denn meine Tochter im Krankenhaus bleiben müsse, hörte ich, dass ich mit sechs bis acht Wochen rechnen müsste. Ich konnte es nicht glauben.

Was war das Schlimmste?

In den nächsten Jahren bekam ich bei meiner Tochter die unterschiedlichen Symptome einer psychischen Erkrankung zu sehen. Niemand hatte mich darauf vorbereitet, kein Arzt erklärte mir, welche Nebenwirkungen die Medikamente hatten und welche Symptome auf die Erkrankung zurückzuführen waren. Bereits im ersten Monat nahm sie zwanzig Kilo zu, die Medikamente führten zu einem unbändigen Hunger.

Sie vernachlässigte sich äußerlich – ich erkannte meine schöne Tochter nicht wieder. Sie wurde mir gegenüber ruppig oder weinte stundenlang. Es gab Tage, an denen sie mich nicht erkannte, oder an denen sie entsetzliche Dinge in ihrer Umgebung sah, vor denen sie Angst hatte. Es gab eine Phase, in der sie nicht mehr reden konnte.

Es war entsetzlich, seine Tochter leiden zu sehen und zu erkennen, dass wir uns in manchen Phasen nicht mehr in der gleichen Realität befanden. Vor allem meine Hilflosigkeit machte mir zu schaffen. Was konnte ich tun, um meiner Tochter zu helfen?

Der Schock der Diagnose „Schizophrenie“ sollte nicht der einzige bleiben. Ich musste mit ansehen, dass es kaum Hilfen gibt, wenn man meint, die Tochter brauche dringend fachliche Hilfe. Es gibt ein gutes sozialpsychiatrisches Angebot, aber das greift nur, wenn die Erkrankten selbst um Hilfe bitten. Aber gerade in Krisenphasen können und wollen sie das nicht.

Die Zwangseinweisung als letzte Lösung kann nur greifen, wenn die Betroffenen sich selbst oder andere Menschen gefährden. Dass Menschen gerade in Krisenphasen – Psychose oder vor allem Manie – ihr soziales Leben gefährden, spielt hier keine Rolle. So ging es auch meiner Tochter: Sie gab zu viel Geld aus, verlor ihre Wohnung, ging nicht zum Arzt, setzte ihre Medikamente ab, worauf es jedes Mal wieder zu einer Krise kam. Diese ständige Angst blieb auf für mich nicht folgenlos: Ich litt unser Kreislaufproblemen und chronischen Schmerzen – etwas, worunter viele Angehörige leiden.

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Lernen, mit der psychischen Erkrankung umzugehen

Heute nach zwanzig Jahren, haben meine Tochter und ich gelernt, mit der Krankheit umzugehen. Meine Tochter entschied sich nach vielen Jahren der typischen Drehtürpsychiatrie, dazu, ihre Erkrankung anzunehmen. Sie sagt: „Ich habe verstanden, dass ich meine Erkrankung akzeptieren muss und lernen, sie zu managen, anstatt mich dagegen zu wehren und damit andere über mein Leben entscheiden zu lassen.“

Ich bewundere sie, mit welcher Kraft sie begonnen hat, sich die Hilfe zu suchen, die ihr das Leben zu ermöglichen, das sie sich gewünscht hat. Sie geht seit Jahren regelmäßig zu ihrem Psychiater, wird von einer ambulanten Betreuung unterstützt, nimmt eine niedrige Dosis ihrer Tabletten und hat eine Vorsorgevollmacht und einen Krisenplan aufgesetzt. Sie hatte seit Jahren keine Krise mehr, hat eine Weiterbildung als Peer-Beraterin (EX-IN) für Menschen mit Psychiatrieerfahrung absolviert und betreut psychisch Erkrankte in ihrem Alltag.

Auch ich musste lernen. Nicht jedes „merkwürdige“ Verhalten“ ist ein Grund, meine Tochter ins Krankenhaus zu bringen. Die Vorstellung, Menschen mit „Schizophrenie seien gefährlich, stimmt nicht. Eher sind sie ängstlich, ziehen sich zurück, werden von Wahnvorstellungen geplagt, schaffen es nicht mehr, ihren Alltag zu bewältigen.

Vor zwanzig Jahren dachte ich, mein Leben und das meiner Tochter sei zu Ende

Manche Symptome muss man einfach aushalten. Wenn sie Angst hat, ist es nicht hilfreich, wenn auch ich panisch werde. Eine Manie, in der sie oft wenig freundlich zu mir war, geht vorbei. Meine anfängliche Angst vor den Symptomen und die vielen Sorgen sind auch für meine Tochter nicht gut. Ich habe in den vielen Jahren gelernt, gelassen mit der Erkrankung umzugehen. Wir wissen, dass wieder eine Krise ausbrechen kann.

Aber Krisen haben auch ein Ende. Je ruhiger ich als Angehörige in dieser Phase bleibe, desto flacher kann die Krisenkurve verlaufen. Wichtig ist es auch, Grenzen zu setzen: Ich muss mir Beschuldigungen oder emotionale Erpressungen nicht gefallen lassen, aber ich darf es meiner Tochter nicht verübeln. Sie ist dann krank, aber nicht „böse“.

Vor zwanzig Jahren dachte ich, mein Leben und das meiner Tochter sei zu Ende. Aber das hat sich nicht bewahrheitet. Es gab harte Zeiten, aber heute geht es uns beiden gut. Unser Leben hat sich anders entwickelt, als wir das dachten, aber es ist ein gutes Leben.

Hilfe für Betroffene

Angehörige von psychisch Erkrankten finden unter anderem Hilfe beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Kontaktieren Sie die Berater des "SeeleFon" unter den Telefonnummern 0228/71002424 oder 01805/950951 von Montag bis Donnerstag von 10-12 Uhr und 14-20 Uhr sowie freitags von 10-12 Uhr und 14-18 Uhr.

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Leser-Kommentare (3)

08.02.2018 | Schlomo Nussbaum

Ich auch

ich kann tote Leute sehen... vielleicht sollte ich Übertragungen aus dem Bundestag meiden. Bisschen OT, aber man kann nur krank werden bei diesen grauenhaften Gestalten.

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08.02.2018 | Dieter Fischer

Dann

bin ich auch schizophren... ich denke die Realität in D ist nicht echt und wir leben im Paralleluniversum

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08.02.2018 | Klaus Nagel

Gut kann ich nachvollziehen,

dass es zunächst schwer ist, eine derartige Erkrankung zu akzeptieren und damit umzugehen, doch es kann auch eine gute Entwicklung geben, mit der man den Kontakt halten, Zuneigung geben und empfinden und glückliche Zeiten erleben kann. Mein Bruder hat die Abnabelung von zu Hause und die Bundeswehr nicht verkraftet. Es schloss sich über viele Jahre eine Odyssee von ca. 15 Krankenhausaufenthalten (offene und geschlossene Abteilungen) an und ich war als jüngerer Bruder „zuständig“, weil meine Mutter sterbenskrank war und mein Vater noch schwerer als ich damit umgehen konnte. Ärzte prophezeiten mir, alles würde sich im Laufe der Jahre verschlechtern. Nach schweren Zeiten wurde es besser, das persönliche Verhältnis war beidseitig herzlich und mein Bruder empfand Glück, man braucht viel Geduld.

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